Arbeitsschutz und rechtliche Anforderungen
Neuerungen bei den Technischen Regeln TRBA 400 und TRGS 555 – das müssen Sie bei der Umsetzung beachten
Text: Dr. Barbara Poschwatta | Foto (Header): © fotomek – stock.adobe.com
Die Technischen Regeln für den Umgang mit Biostoffen und mit Gefahrstoffen umfassen wichtige Informationen und Vorgaben für die Umsetzung der Gefahrstoffverordnung bzw. der Biostoffverordnung. In den letzten Monaten gab es zahlreiche Änderungen im Regelwerk. In dieser Ausgabe erfahren Sie, welche Besonderheiten die TRBA 400 „Handlungsanleitung zur Gefährdungsbeurteilung für die Unterrichtung der Beschäftigten bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen“ und die TRGS 555 „Betriebsanweisung und Information der Beschäftigten“ beinhalten.
Auszug aus:
QM Praxis in der Pflege
Ausgabe Mai / Juni 2017
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INHALTE DES BEITRAGS
Am 20. April 2017 wurde die neu gefasste TRGS 555 veröffentlicht. Kurz vorher am 31. März 2017 wurde bereits die überarbeitete TRBA 400 im Gemeinsamen Ministerialblatt veröffentlicht. Beide Regeln gelten ab der Veröffentlichung und müssen in allen Unternehmen und Einrichtungen des Gesundheitswesens umgesetzt werden, wenn die entsprechenden Voraussetzungen – Tätigkeiten mit Biostoffen bzw. Tätigkeiten mit Gefahrstoffen – vorliegen. Es gibt praktisch keine Pflegeeinrichtung und kein Krankenhaus, wo nicht mit Biostoffen oder Gefahrstoffen gearbeitet wird. Deswegen sind diese Regeln für Ihre Arbeit wichtig und Sie sollten die Inhalte kennen.
Die TRBA 400 – ein Überblick
Die TRBA 400 umfasst folgende Themenbereiche:
- Anwendungsbereich
- Ziele
- Begriffsbestimmung
- Grundsätze zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung
- Gefährdungsbeurteilung bei Schutzstufentätigkeiten
- Gefährdungsbeurteilung bei Nicht-Schutzstufentätigkeiten
- Zusammenfassende Beurteilung und Ableitung von Schutzmaßnahmen
- Wirksamkeitsprüfung
- Dokumentation
- Betriebsanweisung, Unterweisung und arbeitsmedizinische Beratung
Allgemeine Grundlagen
Die TRBA 400 gilt für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung nach der Biostoffverordnung. Sie soll Arbeitgebern und den an der Gefährdungsbeurteilung beteiligten Personen als Hilfestellung für die Durchführung dienen.
Die wesentlichen Begriffe im Zusammenhang mit der TRBA 400 können auch gut als Nachschlage- und Interpretationshilfe dienen. Eine Übersicht der wesentlichen Begriffe finden Sie deshalb bei den Arbeitshilfen.
Grundsätze zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung
Die Gefährdungsbeurteilung dient dazu, die Gefährdungen zu beurteilen, die tatsächlich von Tätigkeiten mit Biostoffen ausgehen. Das bedeutet, dass individuelle Gefährdungen einzelner Mitarbeiter zum Beispiel durch Vorerkrankungen nicht in der Gefährdungsbeurteilung bewertet werden, sondern dann in der arbeitsmedizinischen Prävention. Und gleichzeitig werden Gefährdungen, die bei einer Tätigkeit auftreten können, nur bei dieser beurteilt und nicht bei Tätigkeiten, die damit nichts zu tun haben, aber in derselben Abteilung durchgeführt werden.
Verantwortlich für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung ist der Arbeitgeber. Das bedeutet nicht, dass er die Beurteilung selbst durchführen muss, aber er muss dafür sorgen, dass die Beurteilung durchgeführt wird und die notwendigen Schutzmaßnahmen abgeleitet und umgesetzt werden. Die Vorgabe ist, dass eine Gefährdungsbeurteilung fachkundig erfolgen muss. Es ist davon auszugehen, dass die meisten Arbeitgeber nicht über die entsprechende Qualifikation verfügen und die Gefährdungsbeurteilung deswegen dann von einer fachkundigen Person durchgeführt wird oder der Arbeitgeber sich fachkundig beraten lässt. Welche Anforderungen an die Fachkunde konkret bestehen, regelt die TRBA 200.
An einem Arbeitsplatz können durchaus verschiedene Gefährdungen vorliegen. Gemäß TRBA 400 sind diese unterschiedlichen Gefährdungen dann auch getrennt zu erfassen und zu beurteilen. Im Anschluss sollen sie dann in einer Gefährdungsbeurteilung zusammengefasst werden. Nach der Beurteilung der Gefahren müssen Schutzmaßnahmen abgeleitet werden. Diese müssen alle Gefährdungen berücksichtigen.
Vorgehen bei der Gefährdungsbeurteilung
Nach der TRBA 400 sind folgende Schritte bei der Gefährdungsbeurteilung notwendig:
- Arbeitsbereiche und Tätigkeiten erfassen
- Bestehende Gefährdungen durch Biostoffe, gentechnisch veränderte Organismen, Gefahrstoffe, Lärm, mechanische Gefahren, Hitze, Kälte oder psychische Belastungen ermitteln
- Ermittelte Belastungen und Gefährdungen bewerten
- Notwendige Schutzmaßnahmen festlegen und umsetzen
- Gefährdungsbeurteilung dokumentieren
- Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen regelmäßig überprüfen
Formale Anforderungen
Neben der notwendigen Fachkunde der durchführenden Person gibt es weitere Regeln, die beachtet werden müssen:
Überprüfung der Gefährdungsbeurteilung mindestens jedes zweite Jahr
Überprüfung aufgrund von Aktualisierungsanlässen wie zum Beispiel Veränderungen der Arbeitsbedingungen durch neue Arbeitsverfahren oder neue Materialien, neue Informationen oder neue Erkenntnisse aus der arbeitsmedizinischen Vorsorge, ungenügende Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen
Es gibt die Möglichkeit, die Gefährdungsbeurteilung für vergleichbare Tätigkeiten und Expositionsbedingungen gemeinsam durchzuführen. Sind Tätigkeiten mit einem besonders hohen Risiko verknüpft wie z. B. bei den Schutzstufen 3 und 4, dann sollten sie unbedingt einzeln beurteilt werden.
Grundlegende Voraussetzung für die Beurteilung ist die Ermittlung, um welche Tätigkeit es sich handelt. Es werden Schutzstufentätigkeiten und Nicht-Schutzstufentätigkeiten unterschieden. Außerdem müssen die biostoffbezogenen und die tätigkeitsbezogenen Informationen ermittelt werden.
Unterscheidung in Schutzstufen- und Nicht-Schutzstufentätigkeiten
Handelt es sich um Tätigkeiten mit Biostoffen in Laboren und in Einrichtungen des Gesundheitsdienstes, dann sind dies Schutzstufentätigkeiten. Alle anderen Tätigkeiten im Umgang mit Biostoffen sind Nicht-Schutzstufentätigkeiten.
Schutzstufentätigkeiten sind dadurch charakterisiert, dass die Biostoffe in der Regel bekannt sind oder zumindest bestimmbar sind. Bei Nicht-Schutzstufentätigkeiten handelt es sich zum Beispiel um Tätigkeiten in der Abfallentsorgung aber auch in der ambulanten Pflege gibt es Nicht-Schutzstufentätigkeiten.
Ableitung von Schutzmaßnahmen – allgemeine Rangfolge der Schutzmaßnahmen
Die Schutzmaßnahmen, die aufgrund der Gefährdungsbeurteilung festgelegt werden, unterliegen grundsätzlich einer Rangfolge, die strikt einzuhalten ist. Natürlich muss dabei beachtet werden, welche der Schutzmaßnahmen möglich sind.
Die erste Prämisse ist immer, die verwendeten Biostoffe zu substituieren. Im Bereich der Pflege ist dieser Ansatz natürlich nicht umsetzbar.
An zweiter Stelle folgt die Substitution von Arbeitsverfahren und Arbeitsmitteln. Dabei geht es darum, gezielt die Verfahren und Materialien anzuwenden, bei denen Biostoffe nicht freiwerden können.
Nachfolgend muss der Arbeitgeber bauliche, technische und organisatorische Schutzmaßnahmen ergreifen, um die Beschäftigten vor entsprechenden Gefährdungen zu schützen und die Expositon der beschäftigten so gering wie möglich zu halten.
Als weitere Schutzmaßnahme dient die persönliche Schutzausrüstung. Diese kommt dann zur Anwendung, wenn die anderen Maßnahmen den Schutz nicht ausreichend gewährleisten. Als Dauermaßnahme eignet sich persönliche Schutzausrüstung nur, wenn sie nicht belastend für den Beschäftigten ist.
Neben den Schutzmaßnahmen sind die entsprechenden Hygienemaßnahmen gemäß Biostoffverordnung festzulegen.
Gefährdungsbeurteilung bei Schutzstufentätigkeiten
Grundsätzlich spiegeln die Schutzstufen, die den Schutzstufentätigkeiten zugrunde liegen, die Infektionsgefährdung wider. Sie hängen von der jeweiligen Risikogruppe des Biostoffs ab und sind in vier Stufen unterteilt. Die Schutzstufenzuordnung bezieht sich nicht auf die toxische oder die sensibilisierende Wirkung von Biostoffen.
Die Zuordnung zu einer Schutzstufe bestimmt sich nach der Art der Tätigkeit. Unterschieden werden gezielte und ungezielte Tätigkeiten. Bei gezielten Tätigkeiten ist der Biostoff bekannt und die Tätigkeit ist auf den Biostoff ausgerichtet. Außerdem lässt sich das Ausmaß der Exposition gegenüber dem Biostoff abschätzen, weil es hinreichend bekannt ist.
Gezielte Tätigkeiten sind zum Beispiel die Arbeit mit Zellkulturen oder das Kultivieren von Biostoffen. Im Bereich der Pflege handelt es sich um nicht gezielte Tätigkeiten. Dazu zählt unter anderem die Pflege oder auch die Untersuchung menschlicher Proben wie z. B. Blut, Urin, Stuhl oder Gewebe.
Die nachfolgende Beschreibung bezieht sich auf ungezielte Tätigkeiten, wie sie in der Pflege üblich sind.
Folgende tätigkeitsbezogene Informationen müssen gesammelt werden:
- Betriebsabläufe
- Arbeitsverfahren
- Tätigkeiten
- Arbeitsmittel
- Erkenntnisse aus vergleichbaren Tätigkeiten zu Gefährdungen, Belastungen, Erkrankungen und aus der arbeitsmedizinischen Vorsorge
Biostoffbezogen benötigt man zur Gefährdungsbeurteilung folgende Informationen:
- Risikogruppe
- erregerspezifische Übertragungswege
- spezifische Informationen zur Infektionsdosis
- mögliche sensibilisierende bzw. toxische Wirkungen
Hat man diese Informationen gesammelt, dann muss die Tätigkeit einer Schutzstufe zugeordnet werden. Maßstab für die Zuordnung ist die Infektionsgefährdung. Bei nicht gezielten Tätigkeiten richtet sich die Schutzstufe nicht unbedingt nach dem Biostoff mit der höchsten Risikogruppe, sondern nach der Infektionsgefährdung der Mitarbeiter.
Die Infektionsgefährdung leitet sich daraus ab, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass Biostoffe der jeweiligen Risikogruppen vorkommen. Außerdem werden die Eigenschaften der jeweiligen Biostoffe berücksichtigt. Dazu zählen zum Beispiel die Überlebensfähigkeit und die stadienspezifische Infektiösität. Außerdem wird die Art der Tätigkeit berücksichtigt und darauf geachtet, ob beispielsweise besondere Verletzungsgefahren bestehen. Wichtig ist auch, in welcher Form, wie lange und wie häufig es zu einer Exposition kommt. Die Schutzstufe kann nicht höher sein als der Biostoff mit der höchsten Risikogruppe.
Die Anforderungen an die Schutzmaßnahmen hängen von der Schutzstufe ab:
Bei Tätigkeiten der Schutzstufe 1 genügen Hygienemaßnahmen gemäß Biostoffverordnung bzw. TRBA 500. Dabei handelt es sich um Basishygienemaßnahmen insbesondere im technischen und im organisatorischen Bereich. So dürfen zum Beispiel Pausenräume nicht mit kontaminierter Kleidung betreten werden.
Schutzmaßnahmen für Tätigkeiten der Schutzstufe 2 sollen die Exposition der Beschäftigten minimieren, bei Schutzmaßnahmen für Schutzstufe 3 soll die Exposition der Beschäftigten verhindert werden und bei Tätigkeiten der Schutzstufe 4 soll die Exposition sicher verhindert werden.
Es wird ausdrücklich auf die TRBA 250 verwiesen, die für das Gesundheitswesen die Hilfestellung für die Gefährdungsbeurteilung gibt und ganz detailliert beschreibt, wie diese im Gesundheitswesen durchzuführen ist. Sie behandelt dabei durchweg nicht gezielte Tätigkeiten.
Gefährdungsbeurteilung bei Nicht-Schutzstufentätigkeiten
Bei der ambulanten Pflege findet die Arbeit in der häuslichen Umgebung des Pflegebedürftigen und nicht in einer Einrichtung des Gesundheitswesens direkt statt. Deswegen greift da die Gefährdungsbeurteilung für Nicht-Schutzstu-fentätigkeiten. In der TRBA 250 wird die ambulante Pflege ebenfalls extra thematisiert.
Im Rahmen der TRBA 400 werden bei Nicht-Schutzstufentätigkeiten sehr diffenzierte Hinweise zur Beurteilung der Infektionsgefährdung gegeben.
Bei den Schutzmaßnahmen unterscheiden sich Nicht-Schutzstufentätigkeiten nicht von Schutzstufentätigkeiten. Spezielle Vorgaben gibt es allerdings in Bezug auf luftgetragene sensiblisierende oder toxisch wirkende Biostoffe. Allerdings ist das zugrunde gelegte Konzept insbesondere für Branchen gedacht, für die es keine spezielle TRBA gibt. Für das Gesundheitswesen ist das mit der TRBA 250 der Fall.
Zusammenfassende Beurteilung und Wirksamkeitsprüfung
Die Schutzmaßnahmen müssen im Rahmen eines Gesamtkonzeptes zusammengeführt werden. Dazu müssen alle bei der Tätigkeit bestehenden Gefährdungen, die von Biostoffen ausgehen, berücksichtigt werden.
Es sind immer die höheren Gefährdungen maßgeblich. Es ist nicht möglich, sich aus Gründen der Einfachheit nach der geringeren Gefährdung zu richten. Die Schutzmaßnahmen müssen immer wirksam sein. Behindern sich Schutzmaßnahmen gegenseitig, dann müssen alternative Lösungen gesucht werden. Sie dürfen sich auch nicht gegenseitig einschränken.
Grundsätzlich müssen Schutzmaßnahmen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit geprüft werden. Die konkreten Anforderungen an die Wirksamkeitsprüfung unterscheiden sich je nach Art der Schutzmaßnahme. Technische Schutzmaßnahmen müssen zum Beispiel regelmäßig mindestens jedes zweite Jahr geprüft werden.
Dokumentation
Die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung ist notwendig. Folgende Inhalte müssen unbedingt enthalten sein:
- Wann wurde die Gefährdungsbeurteilung erstellt
- Wer hat die Gefährdungsbeurteilung erstellt
- Nachweis der Fachkunde gemäß TRBA 200
- Für welche Tätigkeiten wurde die Gefährdungsbeurteilung erstellt
- Informationen zu den Tätigkeiten
- Sachverhalte, über die die entsprechenden Informationen gefehlt haben
- Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung
- Festlegungen zu Schutzmaßnahmen und Maßnahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge
- Begründungen zu Abweichungen von technischen Regeln oder von der Rangfolge der Schutzmaßnahmen
- Überprüfung der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen mit entsprechenden Ergebnissen und Datum der Durchführung
- Ergebnisse der regelmäßigen / anlassbezogenen Gefährdungsbeurteilungen
- Weiterhin müssen die biologischen Arbeitsstoffe in einem Biostoff-Verzeichnis gelistet werden. Eine Mustervorlage finden Sie bei den Arbeitshilfen.
Werden Tätigkeiten der Schutzstufe 3 oder 4 durchgeführt, dann muss zusätzlich ein Verzeichnis der Beschäftigten erstellt werden, die diese Tätigkeiten ausüben. Erfasst werden müssen dann Art der Tätigkeit, vorkommende / gehandhabte Biostoffe, Unfälle und Betriebsstörungen.
Betriebsanweisung, Unterweisung, arbeitsmedizinische Beratung
Werden Tätigkeiten mit Biostoffen der Risikogruppe 2 bis 4 durchgeführt, dann muss der Arbeitgeber entsprechende Betriebsanweisungen erstellen. Diese basieren auf der Gefährdungsbeurteilung und müssen arbeitsplatz- und biostoffbezogen erstellt werden. Werden Biostoffe der Risikogruppe 1 mit sensibilisierender oder toxischer Wirkung verwendet, dann müssen ebenfalls Betriebsanweisungen erstellt werden.
Die Betriebsanweisungen bilden die Grundlage für die jährliche Mitarbeiterunterweisung, die der Arbeitgeber gewährleisten muss. Die Unterweisung muss außerdem vor Aufnahme der Beschäftigung durchgeführt werden. Auch Mitarbeiter von Fremdfirmen müssen zu den entsprechenden Gefährdungen unterwiesen werden.
Neben dem Erwerb von Sachkenntnissen sollen die Mitarbeiter im Rahmen der Unterweisung auch motiviert werden, sicher zu arbeiten. Das Sicherheitsbewusstsein der Mitarbeiter soll gefördert werden.
Im Zusammenhang mit der Unterweisung soll auch eine arbeitsmedizinische Beratung durchgeführt werden. Dazu gehört zum Beispiel die Information über ihren Anspruch auf arbeitsmedizinische Vorsorge oder mögliche tätigkeitsbedingte gesundheitliche Gefährdungen
Außerdem müssen die Erste-Hilfe-Maßnahmen und die Postexpositionsprophylaxe thematisiert werden. Im Pflegebereich gibt es in der TRBA 250 die entsprechenden Hinweise zum Verhalten bei Nadelstichverletzungen. Auch die Frühsymptome von Infektionen oder allergischen Reaktionen sind zu benennen.
Der Arzt, der die arbeitsmedizinische Vorsorge durchführt, sollte bei der arbeitsmedizinischen Beratung beteiligt werden. Dies ist dann der Fall, wenn der Arzt den Unterweisenden schult, an der Erstellung der Unterweisungsmaterialien beteiligt ist oder die Beratung selbst durchführt.
Die TRGS 555
Es gibt für den Umgang mit Gefahrstoffen ebenso wie für den Umgang mit Biostoffen eine TRGS, die genau regelt, wie die Gefährdungsbeurteilung durchzuführen ist. Diese TRGS 400 wurde aufgrund der Änderung der Gefahrstoffverordnung gerade neu gefasst und wird voraussichtlich im Herbst 2017 veröffentlicht. Natürlich werden wir dann in dieser Zeitschrift darüber berichten.
Aktuell neu gefasst wurde die TRGS 555 zur Betriebsanweisung und Information der Beschäftigten.
Die Inhalte dieser TRGS sind
- Anwendungsbereich
- Begriffsbestimmungen
- Betriebsanweisung
- Zugang zu den Sicherheitsdatenblättern und zum Gefahrstoffverzeichnis
- Unterweisung
- Zusätzliche Informationspflichten bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden, keimzellmutagenen oder reproduktionstoxischen Gefahrstoffen
Grundlagen
Grundsätzlich gilt die TRGS dann, wenn Tätigkeiten mit Gefahrstoffen durchgeführt werden. Zeigt sich bei der Gefährdungsbeurteilung nur eine geringe Gefährdung der Beschäftigten und sind diese durch die ergriffenen Schutzmaßnahmen ausreichend geschützt, muss diese TRGS nicht angewendet werden. Davon unabhängig bleiben die Unterweisungspflichten gemäß Arbeitsschutzgesetz bestehen.
Betriebsanweisung
Vor Arbeitsaufnahme müssen Mitarbeiter eine schriftliche Betriebsanweisung erhalten bzw. sie muss ihnen zugänglich gemacht werden. Die Betriebsanweisung muss in verständlicher Form und Sprache verfasst sein. Sie sollte möglichst in Arbeitsplatznähe vorgehalten werden.
Die Betriebsanweisungen sind verbindlich. Der Arbeitgeber ordnet mittels Betriebsanweisung an, wie sich die Beschäftigten verhalten müssen. Sie beziehen sich auf die Tätigkeit, den Arbeitsplatz und die verwendeten Gefahrstoffe.
Ziel ist, den Mitarbeiter, die Einrichtung bzw. das Unternehmen und die Umwelt zu schützen. Insbesondere folgende Schutzziele werden in der TRGS genannt:
- Schutz vor Unfallgefahren
- Schutz vor Gesundheitsgefahren
- Schutz vor Brandgefährdungen
- Schutz vor Explosionsgefährdungen
- Schutz der Umwelt bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen
Eine mögliche Aufteilung der Betriebsanweisung ist die Unterscheidung von stoff- und tätigkeitsbezogenem Anteil und betriebsspezifischem Anteil.
Zum stoff- und tätigkeitsbezogenen Anteil zählen zum Beispiel die Stoffeigenschaften, die Gefährdungen durch den jeweiligen Stoff und spezifische Schutzmaßnahmen.
Beim betriebsspezifischen Teil sind Alarmplan, Notrufnummern, Verhalten bei Betriebsstörungen oder auch zu benachrichtigende Personen mögliche Inhalte. Der betriebsspezifische Teil kann für mehrere Stoffe gelten.
Beschäftigte müssen die Betriebsanweisungen beachten und sich daran halten.
Die Erstellung der Betriebsanweisungen liegt in der Verantwortung des Arbeitgebers. Basis der Betriebsanweisungen sind die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung, mögliche Betriebsstörungen, die Vorschriften der Gefahrstoffverordnung, die Sicherheitsdatenblätter, arbeitsplatzspezifische Gegebenheiten und die Technischen Regeln für Gefahrstoffe.
Bei Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung müssen auch die Betriebsanweisungen aktualisiert werden. Sie müssen außerdem an neueste Erkennnisse angepasst werden.
Beschäftigte können die Betriebsanweisungen nur einhalten, wenn sie diese verstehen und sie eindeutig formuliert sind. Das bedeutet, dass die Sprache klar und einfach sein muss. Für fremdsprachige Mitarbeiter müssen gegebenenfalls Übersetzungen angefertigt werden.
Sind in einer Einrichtung beispielsweise unterschiedliche Schutzhandschuhe vorhanden und diese für unterschiedliche Zwecke vorgesehen, dann muss in der Betriebsanweisung eindeutig benannt sein, welche Schutzhandschuhe zu verwenden sind.
Auch die Verwendung von unbestimmten Begriffen wie z. B. „gelegentlich“ sollte vermieden werden. Die Begriffe sind missverständlich und im Zweifelsfall versteht jeder etwas anderes darunter.
Verbote und Gebote müssen ebenfalls eindeutig sein. „Sollten“ oder „könnten“ sind Begriffe, die Spielraum für Interpretationen lassen. Das ist in einer Anweisung nicht zielführend.
In ihrer äußeren Form können sich Betriebsanweisungen unterscheiden. Es gibt keine strengen Vorgaben. In der TRGS 555 wird aber darauf verwiesen, dass es sinnvoll ist, die Betriebsanweisungen in einer Einrichtung einheitlich zu gestalten. Außerdem wird empfohlen, Piktogramme und Symbole zu verwenden.
Sind andere Betriebsanweisungen zum Beispiel für Biostoffe oder auf Basis der Betriebssicherheitsverordnung vorhanden, können die verschiedenen Anweisungen auch zu einer zusammengefasst werden.
Werden Musterbetriebsanweisungen verwendet, dann müssen diese zwingend an die Gegebenheiten in der Einrichtung angepasst werden.
Werden mehrere Gefahrstoffe verwendet, dann können auch Sammelbetriebsanweisungen erstellt werden. Notwendige Voraussetzung sind das Vorliegen ähnlicher Gefährdungen und vergleichbarer Schutzmaßnahmen.
Inhalte der Betriebsanweisung
Die Betriebsanweisung muss laut TRGS 555 folgende Inhalte umfassen:
- Arbeitsbereiche, Arbeitsplatz, Tätigkeit
- Gefahrstoffe
- Gefahren für Mensch und Umwelt
- Schutzmaßnahmen und Verhaltensregeln
- Verhalten im Gefahrenfall
- Erste Hilfe
- Sachgerechte Entsorgung
Die Beschreibung des Arbeitsplatzes dient dazu, den Anwendungsbereich der Betriebsanweisung möglichst genau zu definieren.
Die Nennung der Gefahrstoffe muss so erfolgen, dass die Beschäftigten bei der Bezeichnung wissen, welches Erzeugnis gemeint ist. Gerade bei Gemischen sind dies üblicherweise die verwendeten Produkte mit ihren Handelsnamen. Die TRGS 555 empfiehlt, zusätzlich auch den gefährdenden Stoff zu benennen.
Die Gefahren ergeben sich aus der Gefährdungsbeurteilung. Ergänzend zur Beschreibung sollten die entsprechenden Gefahrenpiktogramme aufgenommen werden.
Bei den Schutzmaßnahmen gilt ebenfalls eine bestimmte Rangfolge:
- technische Schutzmaßnahmen
- organisatorische Schutzmaßnahmen
- Hygienevorschriften und Arbeitskleidung
- persönliche Schutzausrüstung
Auch auf Beschäftigungsbeschränkungen sollte hingewiesen werden. Denkbar ist zum Beispiel das Verbot der Arbeit mit einem bestimmten Gefahrstoff bei bekannter Schwangerschaft.
Das Verhalten im Gefahrenfall bezieht sich auf die Maßnahmen, die von den Mitarbeitern durchzuführen sind. Dazu gehören
- geeignete und ungeeignete Löschmittel
- Aufsaug- und Bindemittel
- Neutralisationsmittel
- technische Schutzmaßnahmen
- zusätzliche persönliche Schutzausrüstung
- notwendige Maßnahmen gegen Umweltgefährdungen
- Hinweis auf Alarmpläne, Flucht- und Rettungspläne
In Bezug auf die Erste Hilfe fordert die TRGS 555 eine Untergliederung in
- Einatmen
- Haut- und Augenkontakt
- Verschlucken
- Verbrennungen und Erfrierungen
Es geht dabei um die Maßnahmen, die vor Ort geleistet werden können. Außerdem müssen unbedingt die Maßnahmen angegeben werden, die unbedingt zu unterlassen sind. Ein bekanntes Beispiel: das Trinken von Milch nach dem Verschlucken von bestimmten ätzenden Substanzen.
Außerdem sollen Hinweise zu innerbetrieblichen Erste-Hilfe-Regelungen gegeben werden.
Die sachgerechte Entsorgung umfasst sowohl Regelungen zur Entsorgung von Resten oder Abfällen wie auch die Entsorgung von Abfällen, die bei Betriebsstörungen entstehen können. Wesentlich sind dabei Hinweise auf die persönliche Schutzausrüstung, notwendige Behältnisse, Aufsaugmittel und Reinigungsmittel. Gegebenenfalls sind Betriebsanweisungen speziell für die Entsorgungstätigkeiten zu erstellen.
Grundsätzlich basieren die Betriebsanweisungen im Wesentlichen auf den Sicherheitsdatenblättern. Sind in diesen Widersprüche enthalten oder die Angaben fehlerhaft bzw. unvollständig, dann muss der Arbeitgeber die entsprechenden Anpassungen in der Betriebsanweisung vornehmen.
Sicherheitsdatenblätter und Gefahrstoffverzeichnis
Die Sicherheitsdatenblätter und das Gefahrstoffverzeichnis müssen für die Beschäftigten zugänglich sein. Beim Gefahrstoffverzeichnis gilt dies mit Ausnahme der verwendeten Mengen.
In welcher Form die Informationen den Beschäftigten zugänglich sind, ist dem Arbeitgeber freigestellt. Es besteht die Möglichkeit, diese elektronisch vorzuhalten oder in analoger Form.
Die Unterweisung gemäß TRGS 555
Die Beschäftigten müssen mindestens einmal im Jahr arbeitsplatz- und tätigkeitsbezogen unterwiesen werden. Die Verantwortung dafür trägt der Arbeitgeber. Außerdem müssen die Mitarbeiter vor Aufnahme der Tätigkeit unterwiesen werden.
Die Unterweisung erfolgt anhand der Betriebsanweisung. Die erneute Unterweisung ist auch dann notwendig, wenn die Betriebsanweisungen geändert wurden.
Der betriebliche Vorgesetzte sollte die Unterweisung durchführen. Die Beschäftigten müssen an den Unterweisungen teilnehmen.
Die Inhalte der Unterweisung richten sich auch nach der Erfahrung der Beschäftigten. Unerfahrene Beschäftigte sollten intensiver und umfassender unterwiesen werden.
Im Rahmen der Unterweisung muss auch eine arbeitsmedizinisch-toxikologische Beratung durchgeführt werden.
Die Unterweisung soll folgende Inhalte umfassen:
- spezifische Gefährdungen
- Schutzmaßnahmen
- Verhaltensregeln
- Hinweise auf neue oder geänderte Betriebsanlagen, Arbeitsmittel, Arbeitsverfahren und Arbeitsschutzvorschriften
- Verwendungsbeschränkungen und -verbote bzw. Beschäftigungsbeschränkungen und -verbote
- Konsequenzen aus Unfallereignissen
- Unterrichtung über Methoden und Verfahren für die Sicherheit
- Zugangsmöglichkeiten zu Gefahrstoffverzeichnis und Sicherheitsdatenblättern
- arbeitsmedizinisch-toxikologische Beratung (Aufnahmepfade für Gefahrstoffe, Schutz- und Hygienemaßnahmen, Wirkung und Symptome)
- persönliche Schutzmaßnahmen
- persönliche Verhaltensmaßregeln
- Wirkungen und Symptome
- Nutzen der arbeitsmedizinischen Vorsorge
Die Unterweisung sollte arbeitsplatzbezogen und tätigkeitsbezogen durchgeführt werden. Laut TRGS 555 sollte sie mündlich erfolgen.
Grundsätzlich sind die Vorkenntnisse der Beschäftigten zu berücksichtigen. Die Unterweisung muss in verständlicher Form erfolgen.
Der Arbeitgeber hat eine Aufsichtspflicht. In Bezug auf die Unterweisung der Mitarbeiter bedeutet dies, dass er sicherstellen muss, dass die Mitarbeiter die Inhalte verstanden haben und sie auch in ihrer Tätigkeit umsetzen.
Die Durchführung und die Teilnahme der Unterweisung müssen dokumentiert werden.
Bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden, keimzellmutagenen oder reproduktionstoxischen Stoffen hat der Arbeitgeber zusätzliche Informationspflichten. Diese werden in der TRGS 555 genannt.